Das Landgericht Karlsruhe hat mit – noch nach altem Recht gefällten – Urteil vom 13. Mai 2011 ent-schieden (Az.: 6 O 375/10), dass der Versicherer beweisen muss, dass der Antragsteller dafür verantwortlich ist, wenn in einem durch einen Versicherungsvertreter ausgefüllten Antrag zu einer Personenversicherung unzureichende Angaben zu den Gesundheitsfragen gemacht werden.
Im August 2006 hatte die seinerzeit 43-jährige Klägerin bei dem beklagten Versicherer im August 2006 einen Antrag auf Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Versicherung gestellt. Das Antragsformular wurde von einem Vermittler des Versicherers ausgefüllt. Im Antrag wurden sämtliche Fragen nach eventuellen Vorerkrankungen innerhalb der letzten fünf Jahre ebenso verneint wie die Fragen zu nicht behandelten Beschwerden, bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen und den Bezug von Rente aus gesundheitlichen Gründen.
Fast drei Jahre später wurde die Klägerin wegen krankheitsbedingter voller Erwerbsminderung verrentet und forderte ihren Versicherer daher dazu auf, ihr die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen. Bei der Überprüfung seiner Leistungsverpflichtung stellte dieser jedoch fest, dass die Klägerin vor Antragstellung unter anderem für neun Tage wegen einer depressiven Episode sowie jeweils für wenige Tage wegen Rü-ckenbeschwerden und Migräne krankgeschrieben worden war.
Daher erklärte der Versicherer wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung den Rücktritt vom Vertrag.
Die Frau war damit nicht einverstanden. In ihrer gegen den Versicherer eingereichten Klage trug sie vor, nicht für die Beantwortung der Gesundheitsfragen verantwortlich zu sein, den der den Antrag ausfüllende Vermittler sei nämlich über die Vorerkrankungen informiert gewesen, habe aber gemeint, dass solche Bagatellerkrankungen nicht angegeben werden müssten. Ferner sei die depressive Periode auf eine abgebrochene Schwangerschaft zurückzuführen, die Rückenbeschwerden durch Einrenken beseitigt worden und die Migräne bereits nach kurzer Zeit wieder abgeklungen. Ein Grund für einen Rücktritt vom Vertrag habe daher auch aus diesen Gründen nicht bestanden.
Der Versicherer beurteilte das anders und behauptete, den Antrag nicht angenommen zu haben, hätte er von der wenn auch nur kurzen Depression gewusst. Selbst die Rückenbeschwerden hätten zu einem Risikozuschlag von 25 % geführt.
Dennoch war die Klage erfolgreich. Das Gericht war davon überzeugt, dass der Versicherer zu Unrecht von dem Vertrag zurückgetreten und Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Versicherung verweigert hatte. Wird ein Antrag auf eine Personenversicherung von einem Mitarbeiter des Versicherers ausgefüllt, so ist es nach Meinung der Richter Sache des Versicherers nachzuweisen, dass der Versicherte seine Anzeigepflicht verletzt bzw. sich einer arglistigen Täuschung schuldig gemacht hat. Voraussetzung ist nur, dass der Versiche-rungsnehmer substantiiert behauptet und darlegt, die Fragen des Vermittlers richtig beantwortet zu haben.
Der Klägerin kam in dem entschiedenen Fall unter anderem zu Gute, dass ihr Lebensgefährte bei der Antragsaufnahme anwesend war, der Mediziner und zugleich ihr Hausarzt ist. Als Zeuge vernommen erklärte er, dass der Vermittler bei dem Hinweis auf die Beantwortung der vorformulierten Fragen einschränkend gesagt habe, dass nur schwere bzw. länger andauernde Behandlungen zu nennen und in das Formular aufzunehmen seien. Daher oblag es der Beklagten, den Nachweis zu führen, dass die Vorerkrankungen nicht nur überhaupt nicht mitgeteilt wurden, sondern auch, dass der Agent diese Einschränkungen nicht vorgegeben hat. Diesen Nachweis konnte sie jedoch nicht erbringen.
Es half dem Versicherer auch nicht, dass sich der als Zeuge vernommene Vermittler als besonders gewissenhaft darstellte und steif und fest behauptete, relevante Angaben von Antragstellern zu den Gesundheitsfragen grundsätzlich in die Anträge aufzunehmen. Denn dass eine 43-jährige berufstätige Antragstellerin über Jahre hinweg über keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen und Störungen klagt, hielten die Richter für nahezu ausgeschlossen. Solcherlei Überlegungen hätte auch der Vermittler anstellen müssen.
Die Richter hielten es für nicht nachvollziehbar, dass ein gewissenhafter Versicherungsvermittler das Ausfüllen so komplexer und bedeutender Fragen nicht dem Kunden überlässt, sondern selbst „die Feder führt“.